Das war mein Longboardjahr 2010

  • Boardmag
  • 28.12.2010


Eiszapfen hängen vor meinem Fenster. Draußen finden die Reifen des Typen keinen Grip; er kommt nicht aus seiner weißen Parklücke raus. Er gibt noch mehr Gas. Mein Board steht schweigsam an der Wand gelehnt. Winterschlaf, Pause, in Gedanken schwelgend merke ich wie es mich ruhig anschaut. Die Zeit drängt nicht. Im Gegenteil: die Zeit erlaubt einen kleinen Gedankensprung. Ein Blick zurück auf ein Gefühl, Wärme, Freude und Vorfreude auf den kommenden Sommer...

Der letzte Winter beginnt wie dieser: kalt, kalt und kalt. Im Frühjahr brennt es mir unter den Fußnägeln endlich wieder rollern zu können - ich bin nicht der Einzige. Viele kommen nach Berlin, um ihrem Winterfrust einen Arschtritt zu verpassen. Um beim vierten Longboardz.de Geburtstag endlich wieder den Fahrtwind zu spüren, auf dem Brett zu stehen und einfach das Glück beim Schopf zu packen.  Der Ritt durch die Hauptsstadt bringt die Erlösung. Knapp 100 Leute starten am Alexanderplatz. Die Straßen werden erobert, die Autos verdrängt, die vergessene Liebe entfacht aufs Neue. Am Ende sind wir 160 Longboarder. Dass die Polizei die Straßen absperrt und den Mob geleit gewährt wird unvergesslich bleiben.


Berlin 2010
 
Es folgt ein heißer Sommer. Die Sonne glüht, der Asphalt schimmert, die Rollen halten nicht lange durch. In Bonn lerne ich die Jungs von Geco kennen. Am Entstehungsort der Nibelungensage glänzt die Natur in  sattem Grün. Ganz in der Nähe, in der Rheinaue, skaten wir bei 30 Grad im Schatten. In Köln besuche ich Heiko im Concrete Wave Shop, skate mit dem Pavel Team an der Hohenzollern Brücke und checke mit Dominik Kowalski den Secret Spot ab. Der Alkohol fließt in Strömen und das nicht nur bei den WM Spielen.
 


Slalom mit Pavels Team in Köln
 
Dann mein Besuch in Stuttgart. In der Downhill Hauptstadt treffe ich Eugen vom Kollektiv, Basti Haller, Basti Hertler, Jakob Raab und viele andere. Sie zeigen mir ihre Spots. Nicht viele von uns genießen das Privileg in einer Stadt zu wohnen, in der man runterheizen kann, um dann mit dem Bus wieder hochfahren zu können. Abends am Palast rum hängen, Tags über Session am Bismarckturm - traumhaft!


Mit der Sugitown Crew am Bismarckturm

Der Almabtrieb ist das Longboard-Event des Jahres. Zum ersten Mal wird das Fahrerfeld im Stand Up limitiert. Von Jahr zu Jahr kommen immer mehr Fahrer dazu - die Gemeinschaft wächst. Immer mehr entdecken dieses besondere Gefühl - sind angefixt, haben Blut geleckt. Longboarden at it bests in Niederbayern. Ich treffe Stephan Risch, schnacke mit Louis Pilloni und Kevin Reimer. Es kommt mir vor als ob die Sonne hier heißer brennt als anders wo. Ich bin von der Atmosphäre fasziniert und begeistert. „Das besondere ist die familiäre Atmosphäre" hatte man mir prophezeit. Ich habe es genießen können...


Patrick Switzer beim Almabtrieb, Pic: Yorck Dertinger
 
Spätsommer in der Schweiz. Mit Rebekka Gemperle, Christoph Batt, Stefan Rüfli und Patrick Switzer sliden in Biel. Der Horizont erweitert sich, die Skills wachsen. Im französischen Teil, in Lausanne, traue ich meinen Augen nicht. Eine Stadt am Berg gebaut. Mit der Bahn nach ganz oben, quer und steil durch die Stadt bis runter zum See. Eine schattige Gerade, dann einmal hart rechts in eine sonnengeflutete Gasse - mit Blick auf den Genfer See. Die Glückshormone paaren sich mit Adrenalin.

Endsommer: zurück im flachen Hannover. Runterkommen, sacken lassen. Die üblichen Strecken fahren, fast gelangweilt genieße ich die Heimat. Keine steilen Straßen, keine Slide-Spots, nur das bekannte Übliche. Der Herbst bringt viel Regen und das Laub bedeckt die Straße. Rollern wird zu einer nassen Angelegenheit. Doch aus der Not wird eine Tugend und wir sliden halt auf Wasser. Kurz darauf fällt der erste Schnee und Weihnachten steht auch schon vor der Tür.
 

Regen-Session mit der Hannover Crew, Stefan Dombrwoski, Pic: Kristian Plattner

Inzwischen hat der Typ sein Auto aus der Parklücke manövriert. Übrig geblieben ist brauner Schneematsch. Den Eiszapfen an meinem Fenster tangiert das alles recht wenig. Er hängt dort ruhig, aber nicht ganz unbekümmert. Einen Tropfen hat es ihm entlockt und während dieser sich der Schwerkraft hingibt, denke ich bereits an das kommende Frühjahr...
 

Damien