Merlin erklärt uns in diesem Interview wie und warum es zu einer völlig neuen Umgestaltung im HDJ Skatepark kommen musste, warum Beton Lärm eindämmen und sogar die Existenz des Skatehofs retten kann. Er erläutert wie das Projekt geplant und durchgeführt wurde und mit welchen Widrigkeiten der Kapo des Hdj´s zu kämpfen hatte. Einen fotografischen Rundgang übernimmt Merlin persönlich und zeigt dabei mal kurz, wie sich so ein Kapo in "seinem" Skatepark warm fährt!
Merlin, Backside Smithgrind vor einigen HDJ Stammgästen auf smoothen Beton!
Phil: Jo Merlin, erzähl uns doch mal wie es zu der Umgestaltung des HDJ Hofes kam. So ganz "freiwillig" war die Idee bzw. die letzte Entscheidung dafür ja nicht, oder?
Merlin: Dass der Skatebetrieb auf dem Hof nicht gerade zu den beliebtesten Soundtracks für den nachmittäglichen Urlaub auf Balkonien der Anwohner rund um das HDJ zählt, ist bekannt. Einige neu zugezogene sind sogar bereit, auch juristisch gegen das HDJ vorzugehen, falls sich nicht an den Gegebenheiten etwas ändert. Glücklicherweise konnte ein Kompromiss gefunden werden, der den Umbau und eine Einschränkung der Öffnungszeiten vorsieht. Vor allem muss sich einiges an der Geräuschkulisse ändern. Heißt, die sehr lauten und basslastigen Holzrampen mit den scheppernden Blechauffahrten müssen weg. Dafür sollen massive und weniger resonanzfreudige Betonrampen den Geräuschpegel senken. Da der Park gerade in einem maroden und zunehmend gefährlichen Zustand war, machte die Entscheidung leicht, jetzt eine groß angelegte Renovierung und auch massive Umgestaltung des Hofes vorzunehmen.
Aurelio und ich haben vor einigen Jahren schon eine DIY-Quater im HDJ gebaut. Diese diente jetzt als Beweis, dass Betonrampen wesentlich leiser und langlebiger sind, als Pressspan. Daher kam Tilo (Hausleitung) auf mich zu und fragte, ob wir so etwas ähnliches wieder machen wollen? Ich freute mich wie Bolle und sagte zu! Doch im Gegensatz zu der kleinen Betonquater, sollte das ganze etwas durchdachter ablaufen. Damals fuhren wir mir dem HDJ Auto durch die Gegend und luden alle Zutaten für Beton in den Kofferraum, um uns dann später am Betonmischer einen abzuschuften. Die matschigen Häppchen Beton pfefferten wir dann peu à peu in eine ungenau gesägte Schalung und versuchten vergeblich das Ganze mit Maurerkellen in Form zu bringen. Für den ersten Versuch mit Beton zu arbeiten, konnte sich das Ergebnis zumindest skaten lassen. Das DIY-Feuer war gelegt da und wir brannten auf mehr!
Als so langsam die Dimensionen des Umbaus und die damit verbunden Kosten klar wurden, schluckte ich doch schon. Die romantische Vorstellung, einfach mit ein paar Homies etwas Neues hinbetonieren, kollidierte mit der Realität. Da der Hof Teil der offenen Angebote des HDJ´s ist (https://www.jbw.de/), müssen die Rampen einigermaßen professionell gebaut werden, so dass sie sicher von Kindern und Jugendlichen genutzt werden können. Dass sah nach einem massivem Stück Arbeit sah aus, doch wurde ein lang gehegter Traum wahr. Beste Voraussetzungen für ein Hammer-DIY-Projekt. Ein Gelände, ein Budget und „komplette“ Freiheit zu bauen, was man will. Kein Architekt der Vorgaben macht, keine Baupläne, kein Superviser. Die Nutzer des Parks entscheiden was gebaut wird, besser geht’s nicht.Anstatt den gesamten Park in einer Aktion umzubauen, entschieden wir uns die gesamte Umgestaltung aufzuteilen und in den Schulferien einen Teil nach dem Anderen umzusetzen. Da in den Ferien sowieso nicht geskatet werden darf, kollidieren die Umbauarbeiten nicht mit dem Skatebetrieb.
Glücklicherweise konnte ich Johannes aus der Eifel für das Projekt nach Freiburg holen. Er hat lange bei einer Rampenbaufirma gearbeitet und ohne seine Zusage, hätte ich mich nicht an die ganze Sache getraut. Er war auch begeistert von der Sache. Endlich mal etwas selber erdenken und dann bauen und nicht einen Architekt im Rücken zu haben. Johannes ist unser Experte für alle Arbeitsschritte, das Arbeitstier vor dem Herrn, spitzen Handwerker und Skater. Auch Aurelio, das HDJ-Urgestein ist mittlerweile gut in der Welt des Skateparkbaus rumgekommen. Erst hat er im Dietenbach mitgeholfen und dann längere Zeit in Afrika Skateparks gebaut. Er freute sich auch riesig, über diese Möglichkeit das HDJ mit zu gestalten. Obwohl er jetzt in München studiert, hat er zugesagt, die damalige DIY-Quater Aktion in die zweite Runde zu begleiten.
Kleine Bau-Gallery:
Phil: Wie kam es dann zu der Umsetzung der Ideen, von wem sind die Pläne wie-was-wann-wo gebaut wird und wie lief das genau ab?
Merlin: Anfangs habe ich mit Tilo die genauen Orte und Maße der Flächen festgelegt, auf welchen gebaut werden darf. Da der Hof immer wieder als Parkplatz bei Veranstaltungen genutzt wird, war Tilo´s einzige Vorgabe, dass die Rampen nicht zu weit in den Hof hineinragen. Das bedeutete auch, dass in der Mitte des Hofes nichts gebaut werden darf, was nicht schnell und einfach beiseite geschoben werden kann.
Weiter ging es mit kleinen Planungsworkshops. Ich habe die Grundrisse der Flächen gezeichnet und diese grob mit Obstacles belegt. Dann die Szene zu Workshops ins HDJ eingeladen, um meine Ideen zu präsentieren und weitere Vorschläge mit einzubauen. Die Workshops haben die Pläne gut ergänzt und weitere Leute mit dem DIY Virus infiziert.
Dann ging es an die Materialbeschaffung. Es musste alles angeschafft werden, was für die „professionelle“ Betonbearbeitung gebraucht wird. Von Holzmaschinen für die Schalungsarbeiten, grobe Werkzeuge für die Erdarbeiten und natürlich verschiedenen Kellen für die Betonverarbeitung. Um das vorgegeben Budget zu schonen, versuchte ich mit den liefernden Firmen Special Deals auszuhandeln. Sie waren von dem Konzept überzeugt und freuten sich eine solche Aktion unterstützen zu können. Am Ende waren wir ausgerüstet wie eine professionelle Rampenbaufirma. Auch Stahl und Beton konnten günstiger oder umsonst(!) bezogen werden. Vielen Dank an Herrn Schaffer von der FTU!
Kleine Bau-Gallery:
Phil: Wie sah denn so ungefähr die Durchführung der einzelnen Arbeitsschritte aus, wie hast du das mit dem wilden Chaos Haufen organisiert bekommen und wie liefen die Bautage/Nächte ab?
Merlin: Da in der Planungsphase die Dimensionen der Aktion immer deutlicher wurden, war klar, dass es nicht damit getan ist, die Skatehomies zu fragen ob sie mal für 2 Stunden zum helfen vorbei kommen. Ich versuchte die Zeitpläne so zu gestalten, dass im Notfall das Pensum auch zu von Johannes, Aurelio und mir gestemmt werden kann. Dann ging es los.
Mit einer Träne im Knopfloch bauten wir die Holzrampen zurück. Was jahrelang Spaß, Schmerz und Spreißel verteilt hat, lag nach 20 Minuten im Container. Dann rollten 45 Tonnen Schutt an, die durch einfaches Schaufeln verteilt wurden. Hier zeigte sich wer motiviert war mitzuhelfen. Dank vieler Helfer war der Schuttberg bald in Form gebracht. Als der Schutt dann verdichtet war ging, es an die Armierungs- und Schalungsarbeiten. Und immer wieder fachsimpeln, ob alles so passt. Und dann rollte der erste Betonlaster an. Trotz genauer Angaben zu Konsistenz und Abbindezeit des Betons, wurde nicht ganz das geliefert, was wir brauchten um die Bank zu gießen. Das hieß für uns arbeiten bis in den frühen Morgen. Der Beton war viel zu flüssig und zu allem Überfluss noch mit Verzögerer angemacht. Heißt er ist zu flüssig und das für länger.
So der ungefähre Ablauf des ersten Elements. Bei den weiteren war die Konsistenz des Betons dann besser und trotzdem brauchten wir ewig bis die Rampen alle fertig gefinished waren. Das mit dem finishen ist auch so eine Sache. Zu erst geht man mit Holz- oder Kunststoffreibebrettern drüber, um die gröbsten Löcher zu füllen und schon denkt man sich, wow das könnte man auch so schon skaten. Es geht dabei immer darum die Steinchen nach unten zu drücken und die feinen Betonschlämme an die Oberfläche zu „saugen“. Als zweites kommen die Magnesiumkellen: Und die Schlämme wird immer feiner. Als wir nachts die Bank gefinished haben und ich zum ersten Mal mit einer Magnesiumkelle gearbeitet habe, war ich von den Socken, wie glatt das Ganze wird. Als letztes kommen die Stahlkellen. Und auch hier geht es noch darum die letzten Löcher mit Schlämme zu füllen.
Zum Glück waren immer einige Helfer am Start, denn die Betonmengen, die wir bestellt haben, überschritten oftmals unsere Kapazitäten. Und so war es super, dass immer Leute da waren, die in den unmöglichsten, verrenkten Position die Kellen zum Glühen gebracht haben. Ich erinnere mich an Stefano, der gute 2 Stunden versucht hat mit der Magnesiumkelle einen Wobbel aus der Quater raus zu shapen. Die Kelle war danach nur noch halb so dick aber der Wobble war weg! Für viele war die Arbeit mit Beton etc. komplettes Neuland. Einige suchten sich intuitiv eigene kleine Baustellen und anderen musste eine Aufgabe gesucht werden. Es waren eigentlich immer motivierte Dudes am Start, was mich freute und unsere Dreisamkeit gut ergänzte.
Da ich die Aktion von Anfang an aufgezogen hatte, mutierte ich bald zum Kapo, mit allem was dazugehört. Telefonate mit den Lieferanten, Koordination der Helfer, den Zeitplan im Auge halten, Materialien einkaufen und Taxi für die Leihmaschinen spielen usw. Das hatte ich mir etwas anders vorgestellt. Schön chillig bei Musik und Getränk, die Kelle schwingen und davor etwas mit dem Akkuschrauber hantieren. Nix da. Ich hatte den Anspruch, dass die Rampen gut werden und lange halten. Der Rattenschwanz davon waren lange und genaue Vorbereitungen, ewiges telefonieren sowie immer neue Material- und Gerätebeschaffung. Nur weil es ein DIY-Projekt ist, heißt das nicht, dass alles schebbs und wobbelig sein muss. Die Planung war DIY par excellence, die Durchführung dann reiner, aufwendiger Standard.
Merlin, Beanplant. Wenn man die Hip ganz oben fahren will, muss man ein wenig den Kopf einziehen, sonst "Ast-ets"!
Merlin, Bs Hurricane an der Quater auf der Bowlcorner!
Phil: Würdest du rückblickend Dinge anders machen oder wieder genauso arbeiten?
Merlin: Auch wenn ich im Vorfeld gewusst hätte, was an Schwierigkeiten, Frust, Schlaflosigkeit und Muskelkater auf mich zu kommen wird, würde ich es immer wieder so machen. Einmal in aller „Ruhe" mit Beton arbeiten. Nicht in einer Nacht- und Nebel-Aktion etwas im Handylichtschimmer hinschmieren, sondern in Ruhe die Ideen umzusetzen und nach Stunden an der Kelle immer wieder von der ersten Line träumen.
Das alles ging gut an die Substanz. So eine Aktion mit 10-12+ Stunden am Tag malochen und dabei noch studieren und einen Nebenjob zu haben hinterlässt Spuren. Das nächste Mal werde ich mehr Zeit einplanen. Doch wie gesagt, wurde damit ein Traum wahr und ich bin dankbar für die vielen neuen Erfahrungen.
Mein Ziel war es auch, den Dudes in Freiburg die Möglichkeit zu geben bei allem mitzureden und sich selbst mal in diesem Bereich von Skateboarding auszuprobieren. Klar konnte nicht alles umgesetzt werden, aber alle konnten mitreden, entscheiden und schuften. Der Park ist ein Produkt der sich engagierenden Nutzer. Besser geht es nicht. Und ich kann den kommenden Abschnitt kaum erwarten!
Merlin, Fs Feeblegrind Steez. Detailiebe am Wallride und noch eine andere Überraschung bietet dieser Wallride; dieser Wallride besitzt innere Werte!
Phil: Im Prinzip wird nun aus einem eher Curb-lastigen Holzpark ein Tranny DIY Beton Park und das HDJ bekommt damit ein neues Gesicht. Wie weit darf denn weiterhin noch betoniert werden, bzw. was sind die Pläne für die Zukunft?
Merlin: Einigen ist es bestimmt ein Dorn im Auge, das die Holzrampen weg sind und wohl auch die Curbs bald einer Alternative weichen müssen. Ich sehe das eher als Chance eine neue Ära im HDJ einzuläuten, in der die Szene wachsen und sich verändern kann. Der gesamte Charakter des Hofes wird sich wohl verändern, doch lieber das, als den Hof dicht geklagt zu bekommen.
Mit dieser Aktion hat das HDJ der Freiburger Szene mal wieder ein großes Geschenk gemacht, denn es wäre günstiger und weit weniger Aufwand gewesen, den Sktebetrieb auf dem Hof einzustellen und Fußballtore dort aufzustellen. So viel Engagement für eine Subkultur, ist nicht selbstverständlich. Gerade in einer Stadt wie Freiburg… Das Haus der Jungend hat erkannt, welche zentrale Rolle der Skatehof für die Szene in Freiburg spielt und hat dementsprechend reagiert.
In den Sommerferien wird es weiter gehen. Leider müssen alle verbleibenden Holzrampen, wie die Hip unter dem Basketballkorb weichen. Die Pläne dafür gibt es noch nicht, aber wer Bock hat mitzureden soll vorbei kommen! Ich wünsche mir, dass der Funke dieser Aktionen auf viele Weitere überspringt und sie Bock haben, das neue HDJ mit zu gestalten.
Merlin, Bs Smithgrind mit Voyeur-Perspektive und dieses dunkle Loch im Wallride kann als Grill und Ofen mit Kaminabzug benutzt werden. All Hail den hungrigen Boys!
Merlin, Bs Nosepick. Vom Sonnenlicht verwöhnter Beton bringt den Sensor der Digi zur Verzweiflung und sofort wünscht man sich eine analoge Knipse herbei, die darüber nur müde lächeln kann. Anyway, danke Merlin und Co für diesen Beton-Kraftakt!
Phil: An dieser Stelle bietet sich die Chance, mal allen Dudes die mitgeschippt, geshaped und sonst was dazu beigetragen haben zu Danken. Ich sage mal stellvertretend für alle HDJ Skateboarder: Danke, danke, danke Merlin!
Merlin: Aber Hallo! Nuthn` but Liebe für all die Helfer, Fachsimpler, Biertrinker und Biobagger. Ohne euch hätte das nie geklappt!!! Respekt gilt allen die sich neben Uni, Job, Familie und sonstigem Tamtam die Zeit genommen haben mitzuhelfen. Es zeugt von Charakter, sich an der Schaufel und Kelle abzurackern, um einen Stück Freiburger Skatekultur zu erhalten und voran zu bringen. Nicht zuletzt muss ich Tilo für das Vertrauen danken, mir eine solche Aktion zu überlassen. Dankééé!