Die alten Klassiker sind doch am besten – das gilt vielleicht in Sachen Kino, kann aber auch bei Skatevideos der Fall sein. Zur Abwechslung stellen wir euch heute also mal ein Video aus dem Jahre 1991 vor: Celebraty Tropical Fish aus dem Hause Powell-Peralta, das letzte Video bevor Stacy Peralta sich aus der Firma zurückzog. Was allein schon den Rückblick auf dieses insgesamt neunte Powell-Video wert ist: Der Part des damals 14 jährigen Berliners Sami Harithi, gefilmt kurz nach der Wende. Nicht nur politisch war damals Wendezeit angesagt – die Vorherrschaft von Vert-Skateboarding ging langsam den Bach runter, alles orientierte sich zurück auf die Straße, und alteingesessene Firmen wie Santa Cruz und Powell mussten den kometenhaften Aufstieg von Firmen wie H-Street und Plan B irgendwie kontern. Celebraty Tropical Fish fällt also in eine Zeit, als die Nose schon fast so lang wie das Tail war, die Bretter aber insgesamt doch noch eher fischförmig aussahen, als die ersten Double-Tail-Boards auftauchten, als Boneless Ones ausstarben und Late-Shove-Its eingeführt wurden, und als die allerersten „Switchstance“-Tricks erdacht wurden, damals auch landläufig noch als „opposite-footed“ bezeichnet.
Adam McNatt, Backside 360° Ollie über die Mülltonne
Celebraty Tropical Fish unterscheidet sich auch von der Machart her
komplett von den älteren Powell-Peralta-Videos wie „The Search For
Animal Chin“ oder „Public Domain“ – trashiger, ein wenig liebloser,
natürlich viel street-lastiger, insgesamt ein eher seltsames Video ohne
roten Faden, das allerding durch einige hervorragende Einzelparts
besticht.
Play! Los geht es ohne jegliches Intro mit einem musiklosen Adam McNatt-Part,
der einen schon ziemlich geschockt hat... Backside Late-Shove-Its über
Mülltonnen, Bigger Spins (Brett 540°, Körper 360°) an 3er Treppen,
Feeble to 5-0 to Frontside Shove-It am Flatrail, ein Boardslide am
triple kinked Handrail, Switch Frontside Heelflip eine mittelanständige
Gap runter, technische lange Schulhof-Lines, Onefooted-Backside
Noseblunt Revert in der Mini... krass unterwegs gewesen! Adam McNatt
ist dann auch bis um die Jahrtausendwende des öfteren im 411VM und im
Digital zu sehen gewesen, und hatte auch im Red Dragon RDS/FSU Video
von 2002 einen Auftritt.
"Streetgap" in London, damals galt das noch als ziemlich weit!
Curtis McCann
hat den nächsten Part – wieder ohne Musik. Keine Ahnung, warum man
einfach manchmal die Mucke wegließ! Wie auch immer, der Part ist
trotzdem Musik in den Augen und Curtis (von dem ich 1992 auf dem
Mastership ein komplettes Brett für 35 DM abgekauft habe) nimmt erstmal
seine Local-Skatehalle in London auseinander – Frontside Hurricane to
fakie am Handrail, dicke Miniramp-Ollies... anschließend fährt er noch
an diversen Stufenspots in London City, und ich sage euch,
Late-Shove-Its und One-Footed Ollies waren der absolute Bringer
damals... ;)
Dann, endlich. Frankie Hill, der Über-Held! Da gibt es dann auch endlich rockige Musik zu hören, leider steht die Band nicht im Abspann (auf Musikrechte wurde ohnehin meistens noch geschissen...).
Frankie Hill, Early 90s Stuntman, Mutegrab
Mutegrab 14er-Treppen runter, Pop-Shove-It Tailgrab Airwalk, 360 Flips an Stufen, mächtige Doublesets, Kickflip übers Handrail, lange Triple kinked Handrails mit sogar Festhalten am Rail und sich fast über die Finger sliden – Frankie Hill hat immer alles gegeben und ist meistens immer irgendwie auf dem Board geblieben.
1992 oder '93 hat er sich das Knie dann so zerstört, dass er 7 Jahre pausieren musste und als Grafiker sein Brot verdiente. 2001 versuchte er ein Comeback auf Diabolical Skateboards, was allerdings nicht so von Erfolg gekrönt war.
Vom nächsten Fahrer hat wohl zumindest in Deutschland jeder schon mal was gehört: Sami Harithi! Lustigerweise wurde er im Powell Video als Sami „Hirithi“ bezeichnet. Er war damals gerade 14 und ist bis heute einer der ganz wenigen deutschen Fahrer, die es zu einem kompletten Videopart bei einer „großen“ US-Firma gebracht haben.
Die Footage kommt fast
komplett aus dem Berlin kurz nach der Wende, mit Impressionen wie der
„guten alten“ Mauer und Polizeitrabbis. In einer sehr geilen Miniramp
(die wohl wenig später von Faschos o.ä. abgefackelt wurde) macht Sami
zu jazziger Musik 540° Ollies, an dem Nationalgalerie-Manualbogen
Impossible Lipslide, er hüpft auf der „Baustelle“ umher, fährt die
Handrails am ICC-Regenspot, macht in Hamburg an den Red Banks Frontfoot
Impossible to fakie...
Was soll man sagen, Sami ist
einfach ein legendärer Fahrer, und nicht zuletzt dieser Part, in dem er
trotz seines jungen Alters schon mit göttlichem Style unterwegs ist,
hat ihm zu diesem Status verholfen. Schön, dass man ihn in nach
längerem Untertauchen in letzter Zeit wieder öfters sieht! Hat Frau und
Kind inzwischen, der Mann...
Chris Senn, langer Boardslide über den Kink!
Eine weitere Legende, die auch heute noch ganz vorne mitfahren kann, ist Chris Senn, damals 18! Als Intro zeigt er sein gemütliches Städtchen Grass Valley und dorkt mit seinen Buddies rum. Immer Vollgas, war damals schon seine Einstellung.
Gaps in Downhill Lines und lange
Boardslides an richtig miesen Ledges... dann noch Footy aus der Powell
Skatehall in Santa Barbara, damals wohl die fetteste Halle der Welt.
Ollie über die ganze Funbox to Feeble Grind aufs Handrail? Chris Senn
hat so Zeugs schon vor 15 Jahren gemacht.
Danach gibt es mit Mike Frazier
endlich einen Vert-Part zu sehen. Auch wenn wir damals häufig Gebrauch
vom „Vert-Button“ am Videorekorder gemacht haben, ein wirklich
ansehnlicher Part, gefilmt in einer schönen Pipe mitten im Grün. Im
Vergleich zu den Street-Parts ist das Filmen viel ruhiger und
flüssiger, was wohl daran liegt, dass Powell-Peralta in den 10 Jahren
zuvor nur fast reine Rampen-Videos abgeliefert hat und da seine
Erfahrungen gemacht hat. Mike macht auf jeden Fall am liebsten alle
Tricks to Disaster oder to Tail und schockiert am Schluß noch mit einem
Nosetap Tailgrab 360° Revert.
Eric Ricks, One-Footed Ollie Tailgrab über einen Hydranten
Eric Ricks
folgt mit Street Pur, jetzt zur Abwechslung mal wieder ohne Musik. Der
Part besteht aus Hydranten und Schulhöfen, aber Eric Ricks war damals
schon vom Style her nicht gerade mein Lieblingsfahrer. Der Sal Flip
über die Tonne und der 360° Late-Shove-It über den Picknick Table sind
allerdings geil...
Die Mondscheinsonate von Beethoven dient als musikalische Untermalung zu Pat Brennens Part. Er macht lange Lines in der Stadt und wird dabei einmal fast vom Auto überfahren. Leider ist Pat Brennen ein Jahr später wirklich bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Sein Part mit der traurigen Musik und viel Zeitlupe wirkt im Nachhinein dadurch irgendwie doch recht bedrückend... von Style und Tricks her gehört er jedenfalls zu den Besten des gesamten Videos.
Backside 360° Late-Shove-It im Flat... Pat Brennen RIP
Alleine
die Tricks an der Beton-Parkbank: Noseblunt Slide komplett durch,
Frontside Boardslide 270 out... technisch auftrumpfen konnte Pat auch
durch Nollies über Hydranten, 360° Varial Heelflips an kleinen
Stufensets, Doublekickflip to Wheelies... ein für die Zeiten wirklich
technisch anspruchsvoller Part, ohne dabei zapplig zu wirken! Und Pat
hatte die geilsten Schuhe der 90er an: Airwalk Enigma!
Nun vollführt das Video eine komplette Wendung: anstatt Part für Part weiter zu machen, wird plötzlich alles ganz unruhig zusammengewürfelt, mit blöden Effekten versehen und mit dummen Sprüchen unterlegt. Natürlich konnten wir alle diese Sprüche auswendig ("It's hot today! This is my melted wheel..."), genau wie wir jeden einzelnen Trick vorher ansagen konnten. Videos waren zu damaligen Zeiten schließlich spärlich gesät, man guckte sich jedes einzelne an, bis das Tape zu schmelzen drohte, und hing dabei ständig auf der Rückspul- und Zeitlupentaste (und zugegebenermaßen auch auf dem Vert-Button).
Der Street-Mix-Part zeigt neben den damaligen Ams (oder Friends?) Sean Mortimer und Justin Lukyn auch die Vert-Heros Colin McKay und Tony Hawk. Puh, zum Glück hat Tony irgendwann mal aufgehört, Street zu fahren – das konnte man sich wirklich kaum ansehen :)
Tony Hawk, Alley Oop 360° Stalefish über die Hip
Dann wird das Video auch rampenlastiger mit dem Miniramp- und dem Vert-Part. Bucky Lasek
(damals noch recht jung) und Ray Underhill (damals schon recht alt)
kommen noch hinzu, und das Skaten ist zwar insgesamt schon gut, aber
reißt einen – bis auf den wirklich extrem stylish fahrenden Colin McKay
- heute einfach nicht mehr so vom Hocker. Bei den Street-Parts in der
ersten Hälfte des Videos ist das irgendwie anders, damals war Street
eben gerade jung und frisch und innovativ, und das kommt auch beim
heutigen Betrachten noch so rüber.
Zum Abschluss des
Videos gibt es nochmal richtig stumpfen Stumpfsinn, nämlich ein wenig
Karaoke sowie den "Bonus Part" von Joanne Toll, die an dem Versuch
scheitert, geradeaus an der Kamera vorbeizufahren. Zum Glück haben sich
die Zeiten diesbezüglich doch ein wenig geändert...
Wer
Bock auf das Video bekommen hat, aber im Kollegenkreis keinen alten
Sack hat, bei dem er das Dingen mal angucken kann: fragt bei eurem
Skateshop nach, die ganzen alten Videos von Powell(-Peralta) wurden vor
ein paar Jahren wieder neu aufgelegt und sind über die üblichen
Vertriebswege erhältlich.