In
rasanter Geschwindigkeit über Schneefelder fegen, abheben und
hoch empor durch die Lüfte gleiten - Adrenalin pur! Sie lieben
das Spiel mit den Naturelementen. Die Rede ist von den Anhängern
der exotischen Extremsportart Snowkiten. boardmag-Redakteurin Sophie
unterhielt sich mit der leidenschaftlichen Snowkiterin Nadine Kaiser
aus Freiburg über ihre Passion, über die Entstehung und
Geschichte des Snowkitens und über die erste Snowkiteschule auf
dem Schauinsland.
Was ist Snowkiten?
Nadine: Stell Dir
vor, Du bist ein kleines Kind und hast einen Lenkdrachen in der Hand.
Den stellst Du Dir jetzt überdimensional groß vor. Der
Drachen entwickelt einen enormen Zug und dann funktioniert das wie
beim Segeln oder Windsurfen. Durch den Zug kannst Du Dich auf einem
gleitenden Untersatz von A nach B bewegen. Die Möglichkeiten
sind beim Snowkiten unbegrenzt: gemütliches Cruisen durch den
Pulverschnee, steilste Berghänge hinauf brettern, aber auch
Sprünge bis zu 200 Meter weit und 20 Meter hoch sind möglich.
Auf gerader Strecke erreicht man sogar bis zu 80 Stundenkilometer.
Was benötigt man zum Snowkiten?
Nadine: Im Prinzip
braucht man einen Kite, also den Drachen, und die Leinen dazu, die
sind meistens zwischen 20 und 30 Metern lang. Dann eine Bar, das ist
eine Stange, die der Kitesteuerung und der Kitekontrolle in Bezug auf
Richtung und Kraftentwicklung dient. Desweiteren braucht man noch ein
Trapez, das man um die Hüften hat – das sieht aus wie eine
Windel – damit hängt man sich mit einem Hacken an der Bar ein,
damit diese nicht davon fliegen kann. Ansonsten braucht man nur noch
ein Sportgerät unter den Füßen, da ist der Phantasie
keine Grenzen gesetzt – vom Snowboard, über Skiern bis hin zu
Snowblades.
Das hört sich nach einer Menge Equipment an. Was wiegt denn eine komplette Ausrüstung im Durchschnitt?
Nadine: Eigentlich wiegt es gar nicht so viel, denn der Schirm ist sehr leicht. Schirm, Bar und Trapez bringen zusammen etwa vier Kilogramm auf die Waage, mehr nicht. Dagegen ist das Windsurfmaterial deutlich schwerer.
Wieviel Geld muss man für eine komplette Ausrüstung einplanen?
Nadine: Die
Anschaffung ist recht teuer. Ein einziger Kite reicht meistens nicht
aus, da man die unterschiedlichen Windbereiche abdecken muss: Für
wenig Wind braucht man einen großen Kite und für viel Wind
einen kleineren. Ich selbst habe drei Kites in verschiedenen Größen:
für viel, mittel und wenig Wind. Ein Kite kostet als
Auslaufmodell zwischen 700 und 800 Euro und neu zwischen 1000 und
1500 Euro – und dann hat man erst den Drachen.
Wie lange dauert's bis zum ersten Erfolgserlebnis?
Nadine: Ein Basiskurs,
den wir anbieten, dauert ein Wochenende lang, jeweils viereinhalb
Stunden am Tag. Nach meiner Erfahrung wird man nach dem Basiskurs
seine ersten Erfolgserlebnisse gemacht haben. Nach einem Wochenende
kann man sicher schon nach links und nach rechts fahren, starten und
landen, vielleicht schafft man sogar schon eine Wende. Aber am
zweiten Tag zu wissen 'Ich fahre schon' ist ein tolles Gefühl
für jeden Einsteiger.
Sollten Angfänger Skills aus anderen Wintersportarten mitbringen?
Nadine: Da haben wir lange hin und her überlegt, aber wir haben uns entschieden, dass die Kursteilnehmer bei uns ihr Sportgerät beherrschen müssen. Wer sicher auf Skiern oder Snowboard steht, wird auch mit dem Snowkiten keine großen Probleme bekommen. Dadurch können sich die Kiteanfänger wirklich voll und ganz aufs Kiten konzentrieren, auf das, was mit dem Drachen passiert, und müssen sich nicht zusätzlich auf ein ungewohntes Sportgerät unter den Füßen einstellen.
Kann man alleine Kiten?
Nadine: Wenn man gut
ist, kann man es theoretisch auch alleine, aber meiner Ansicht nach,
sollte man immer zu zweit Kiten gehen, denn auch wenn man gut ist,
kann immer etwas passieren. Ich lege es jedem ans Herz, immer einen
Partner dabei zu haben, denn es macht ja auch viel mehr Spaß
mit anderen Leuten gemeinsam zu kiten. Aber ausschlaggebend ist
natürlich der Sicherheitsfaktor. Anfänger sollten auf gar
keinen Fall versuchen, alleine erste Erfahrungen zu sammeln. Es gilt
nicht nur, einen Kite technisch zu beherrschen, sondern auch ein
Gefühl der Selbsteinschätzung und Eigenverantwortung zu
entwickeln.
Wie kamst Du darauf eine Snowkiteschule aufzumachen?
Nadine: Entstanden ist die ganze Idee aus einem Hirngespinst. Irgendwann im Spätfrühling hatte ich mich mit einem Kollegen von der Powdersports-Schule zusammengesetzt und den Entschluss gefasst, doch endlich etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Wir wollten nicht immer nur für andere ackern, sondern unser eigenes Ding aufziehen. Nach einigem Hin und Her, kamen wir darauf, eine Snowkiteschule aufzubauen. Inzwischen sind wir eine feste Gruppe von sechs Leuten, die sich um die Snowkiteschule am Schauinsland kümmert.
Warum zieht ihr die Snowkiteschule am Schauinsland und nicht am Feldberg auf?
Nadine: Powdersports hat schon immer eine Ski- und Snowboardschule am Schauinsland und dort – als einzige Schneesportschule – so etwas wie ein kleines Imperium. Dort haben wir einen guten Draht zum Bürgermeister und die Unterstützung der Liftleute. Aus dem Grund bietet es sich natürlich an, die Snowkiteschule auch auf dem Schauinsland zu etablieren. Die besten Snowkite-Spots im Schwarzwald hat auch der Schauinsland, da der Wind auf dem Feldberg viel böiger ist.
Wie sieht die Snowkite-Szene im Schwarzwald aus?
Nadine: Eine
richtige Szene hat sich noch nicht entwickelt, es sind eher einzelne
Grüppchen, die sich spontan zusammenfinden. Eine Szene, wie man
es vom Snowboarden her kennt, gibt es in der Form noch nicht.
Wie gefährlich ist Snowkiten?
Nadine: Kiten ist nur dann gefährlich, wenn man nicht genug darüber weiß. Wenn man beispielsweise den Wind oder sein Material nicht richtig einschätzen kann oder wenn man sich leichtsinnig verhält. Eine Helmpflicht gehört genauso dazu wie das Verbot, in der Nähe von Stromleitungen oder Brücken und Bäumen zu kiten. Ansonsten ist das Snowkiten einfach eine Risikosportart wie jede andere Extremsportart auch.
Gibt’s für Anfänger im Snowkitebereich eine Altersbeschränkung?
Nadine: Die Leute, die bei uns anfangen zu Kiten, müssen volljährig sein, da es eben doch eine Extremsportart ist. Mit Gewicht und Größe hat es zwar nichts zu tun, aber wir sind einfach auf der sicheren Seite, wenn die Kursteilnehmer volljährig sind. Unter den internationalen Profis gibt’s natürlich viele, die deutlich jünger sind, also früh genug anfangen ist erlaubt, da gibt es keine Alterbeschränkung.
Was macht mehr Spaß: Snowkiten oder Kitesurfen?
Nadine: Snowkiten hat
einige Vorteile gegenüber dem Kitesurfen: Kiten auf Schnee ist
leichter als auf der Wasseroberfläche, da die geringere Reibung
schon bei schwachem Wind ein rasantes Tempo ermöglicht.
Unbequeme Wasserstarts fallen ganz weg. Und oft reicht schon das
kleinste Lüftchen, um den Kiter in Bewegung zu setzen. In der
Bergnähe hebt allein schon das Absinken der kalten Luftmassen am
Morgen den Drachen in die Höhe.
Was:
Snowkiteschule Powdersports, Schauinsland
Kursangebot:
Ein Einsteigerwochenende gibt’s schon für 140 Euro.
Es besteht aus 2 Tagen Kurs (Theorie- und Praxisteil) inkl.
Leihmaterial
Ansprechpartner: Nadine Kaiser
YouTube-Clips:
Flysurfer
/ Tripleloop
/ Ozone
Snowkiten
Zur Geschichte des Kitens
Der Ursprung des Kitens lässt sich
auf verschiedene Sportdisziplinen zurückführen. Man findet
im Kiten, als Mutter des Snowkitens, Elemente aus dem
Kite-Buggyfahren, dem Wellenreiten, Windsurfen, Skateboarden,
Snowboarden und dem Wakeboarden. Dies ist unter anderem auch der
Grund dafür, dass sich viele Sportler der erwähnten
Sportarten nicht nur für das Kiten interessieren, sondern auch
ihr gesammeltes Wissen und ihre Bewegungserfahrungen in die
Entwicklung dieser Sportart mit einbringen.
Die Idee, durch
Drachen Gegenstände und Personen zu bewegen, ist so alt wie der
Flug-Drachen selbst. Als den Vater des 'Traction-Kites'
kann man den Engländer George Pocock bezeichnen. Ihm gelang es
1826 mit dem 'Char-Volant', einer Kutsche, die mit zwei von ihm
entwickelten und patentierten vierleinigen Drachen gezogen wurde,
sich mit einer Geschwindigkeit bis zu 20 km/h fortzubewegen und sogar
gegen den Wind zu kreuzen.
Im Laufe der
neuzehnhundertachtziger Jahre gab es mehr oder weniger erfolgreiche
Versuche sich mit Kanus, Schlittschuhen, Wasserski, Alpinski,
Rollerskates, etc. ziehen zu lassen. Der eigentliche Durchbruch des
'Traction-Kites' kam erst 1990 mit der Entwicklung des Kite-Buggys.
Die Entwicklung des Kite-Buggyfahrens hatte einen großen
Einfluß auf das Kitesurfen, da die Umsetzung vom Zug eines
Drachens in Geschwindigkeit sowohl auf dem Land, wie auch auf dem
Wasser ähnlich funktioniert.
Die Kombination von
Drachen- und Boardsportarten führte zur Entwicklung des
Kitesurfens. Ähnliche, teilweise auch identische,
bewegungstechnische und koordinative Fähigkeiten, als auch
materialtechnische Komponenten lassen sich in den oben genannten
Boardsportarten ausmachen.
Seit 1998 kann man Kitesurfen als
ernsthafte (Extrem-)Sportart betrachten. In diesem
Jahr gelang es einigen Fahrern Höhe zu laufen bzw. hart am Wind
zu fahren. Die ersten Kitesurf-Schulen wurden auf Hawaii eröffnet
und es gab den ersten offiziellen Wettkampf auf Maui. In Deutschland
schaffte der Sport 1999 seinen Durchbruch. Der VDWS (Verband
Deutscher Windsurf- und Wassersportschulen) nahm sich dieser Sportart
an, begann eine Lobby in Politik und Industrie aufzubauen und
entwickelte ein Ausbildungskonzept. Man geht in Deutschland derzeit
von ca. 10.000 Kitesurfern bzw. kitesurfinteressierten Menschen
aus.
Das Kiten hat sich bereits in der Wassersportszene
etabliert und sich seinen Platz in der Reihe der neuen Board- und
Extremsportarten gesichert. Stetige Verbesserungen und
Neuentwicklungen beim Material und bei den Lehrmethoden werden dazu
führen, dass Kiten immer einfacher und vor allem
sicherer zu erlernen sein wird.