Alpentrip 07, Teil 1
Liebes Tagebuch, jetzt habe ich doch wirklich vergessen, dich auf unseren aufregenden Zwei-Mann-Trip durch die Alpen mitzunehmen. Wie konnte das nur passieren? Tut mir natürlich sehr leid, dass ich dich vernachlässigt habe, dafür bekommst du selbstverständlich alle wichtigen - und unwichtigen – Informationen nachgeliefert:
Wie ich dir schon vor einiger Zeit berichtet habe, hat Gregor zum einen sein Examen in der Tasche, zum zweiten ein Auto und daraus folgt gleichermaßen die Notwendigkeit, die freie Zeit der Semesterferien in einen dreiwöchigen Alpentrip zu investieren. Um es gleich vorwegzunehmen, das ist wahrscheinlich die eindrucksvollste und nachhaltigste Geldanlage die ich bisher kennen gelernt habe. Wird zwar nie in einer Wirtschaftszeitung erwähnt werden, kann ich dennoch nur empfehlen. Okay, dann packen wir´s mal an: Als Stationen waren vorgesehen: Davos, Laax, Chamonix, Ischgl, Arlberg (Lech-Zürs) und das Pitztal.
Nachdem Gregor freundlicherweise die logistische und inhaltliche Planung der Verpflegung übernommen, und bei einem bekannten deutschen Discounter, der Menge nach, eine Wochenration für eine 12-köpfige Familie erstanden hatte, konnte ich mich gleich zu Beginn auf das Wesentliche konzentrieren - und in Ruhe ausschlafen. Fast, liebes Tagebuch, hätte der Start unseres Trips um den ein oder anderen Tag verschoben werden müssen, aber zum Glück tauchte der zwischenzeitlich verlorene, one and only Autoschlüssel im Kühlregal oben genannten Discounters wieder auf.
Das muss für drei Wochen reichen…
Somit ging es am Abend des 24. Februar ab zum ersten Teil unseres Trips in die Schweiz, genauer gesagt nach Trübbach, nahe der Grenze zum Fürstentum Liechtenstein, im schönen Rheintal. Dort konnten wir uns die ersten Tage bei einem Freund einquartieren und hatten somit den idealen Ausgangspunkt für die geplanten Gebiete Klosters, Davos und Laax, welche in 30-40 Minuten zu erreichen sind. Der erste Abend verlief trotz aller guten Vorsätze, es ruhig angehen zu lassen, dann doch relativ ausgelassen. Und das hatte einen guten Grund: In Trübbach war nämlich Fasching - aber nicht irgendein langweiliger Dorffasching, liebes Tagebuch, das war Rio!
Für den ersten Snowboardtag sind wir nach Klosters gefahren, an die Parsenn-Gotschnabahn. Leider offenbarte sich hier bereits, was sich durch unseren ganzen Trip ziehen wird, die Schneebedingungen waren nur über 2000m befriedigend, um mal das Schulnotensystem auszupacken. Dennoch waren die Pisten an sich in einem guten Zustand, sehr hart, aber für den ersten Tag zum cruisen und Pisten-jibben in Ordnung.
Klosters / Parsenn
Das Highlight an diesem Tag war definitiv die Geschwindigkeitsmessstrecke, welche in meinem Fall (natürlich gebremst durch die schlechte Sicht...) nur 78 km/h angezeigt hat. Den zweifelhaften Tagesrekord hat mit weit über 90 Sachen ein Raceboarder direkt nach mir aufgestellt, welcher jedoch ein wenig über sein Ziel hinausgeschossen ist, und sämtliche Fangzäune in seinen Run mit eingebaut hat. Außerdem, liebes Tagebuch, habe ich mir eingebildet, diesen jungen Herren am gleichen Tag früh um halb fünf – und dementsprechend gut dabei - auf dem Fasching gesehen zu haben...dubiose Sache. Also Kinder, immer gut auf die Racer aufpassen! Und was gibt es am Ende eines Tages schöneres, als eine slushy Talabfahrt, welche mit ganz natürlichen Obstacles dank der immer weniger werdenden Schneeauflage aufwarten kann, und letztendlich in einer Art Flussdurchquerung zum Parkplatz endet - bei gemütlichen elf Grad an der Talstation. An dieser Stelle muss ich kurz loswerden, dass es zwei völlig unterschiedliche Welten sind, wenn man im Auto schlafen muss und sich vor die „elf“ ein Minus stellt...aber dazu später. Alles in allem ein schöner Tag zum Einstieg unserer kleinen Tour.
Insgeheim haben wir natürlich gehofft, dass der „richtige“ Schnee noch kommen wird. Man muss immer optimistisch bleiben liebes Tagebuch. Diesen Optimismus mussten wir uns auch am nächsten Tag in Davos am Jakobshorn vor Augen halten, da sich die Schneesituation hier natürlich nicht wirklich anders dargestellt hat. Kurzum, Pisten sehr gut präpariert, Park und Pipe waren auch vorhanden (im Gebiet selbst & an der Talstation), wenn auch absolut „hardpacked“.
Das Eis der Pipe glänzte derartig, dass ich für einen kurzen Moment der festen Überzeugung war, hinter den Walls, Manni das Mammut entdeckt zu haben. Doch es war nur die wahrscheinlich hässlichste Mütze der Welt eines kleinen Jungen auf Skiern, der in diesem Moment vorbeigefahren ist. Gegen Nachmittag war schlechteres Wetter in Form von Nebel und - tata - Schneefall angesagt, so dass wir die restliche Zeit in der „Jatzhütte“ verbracht haben.
Von den Preisen nicht ganz billig (Achtung: billig = in Davos reine Ansichtssache), vom Ambiente einzigartig. Die abschließend initiierte „Neuschneeballschlacht“ war natürlich vorprogrammiert (Sorry Dude, dass wir deine Freundin mitgenommen haben, obwohl du selbst überhaupt keine Lust dazu hattest…gleichzeitig fand auf der Terrasse der Jatzhütte ein internationaler Nagel-Contest statt…nein, liebes Tagebuch, nicht was du denkst…).
Am Abend war Bouldern angesagt, in einem kleinen Raum mit liebevoll eigenhändig geschnitzten Klettergriffen, dem „Spider-Room“ in Oberschan, oberhalb von Trübbach. Genau das richtige, um die letzten Kraftreserven des Tages noch aufzubrauchen. Eigentlich, liebes Tagebuch, wollte ich selbst dir keine Geheimtipps verraten, aber direkt gegenüber dieses Kletterraums in Oberschan, befindet sich das „Ferienzentrum Torkel“, welches im Winter wie im Sommer für Selbstversorger eine gute und günstige Ausgangsposition bietet.
Am folgenden Tag gab es aufgrund mehr
oder weniger ergiebiger Schneefälle und schlechter Sicht (danke
Internet & Webcams) einen Wellness Tag. Wellness heißt, bis
12h ausschlafen, essen, weiterschlafen, bis 18h Kniffel spielen und
dann endlich entscheiden doch ins Schwimmbad in Bad Ragaz zu gehen.
Lohnt sich in jedem Fall - allein wegen den Lawinenwarnlampen im
Schwimmbecken! Kein Witz! Für Nichtschwimmer und Poker-Freaks
(das eine schließt das andere natürlich nicht aus…) gibt
es gleich nebenan ein Casino. Poker, liebes Tagebuch, haben wir auch
gespielt: Aufgrund mangelnder Ausrüstung und Professionalität
in diesem Bereich mussten wir uns anstelle von „Chips“ mit
Kinderschokolade, Nimm2, Streichhölzern und SFr behelfen - in
Verbindung mit den gefakten Porno-Karten aus China kam jedoch schnell
echtes Zockerfeeling auf.
All in!!!
Rrrring, sieben Uhr aufstehen, Fenster auf – BOOM - Sonne und Neuschnee, Hektik, wohin geht´s? Alles klar, Laax! Um neun Uhr sitzen wir in der Gondel, keine Wartezeit, anscheinend wenige Leute im Gebiet, liebes Tagebuch, kennst du dieses vorfreudige Kribbeln im Bauch? Nein, objektiv gesehen kannst du es gar nicht kennen, aber es fühlt sich einfach gut an. Wir freuen uns also auf einen guten Tag und werden nicht enttäuscht: 20-30cm Neuschnee, Sonne, was will man mehr, Mittagspause im Voraus schon gecancelled, heute wird gefahren bis zum umfallen!
Laax - Powderday
Laax ist für uns eine Premiere, dennoch finden man sich in dem Gebiet hervorragend zurecht. Vom Lift aus kann man viele gute kleine Spots erreichen und damit stand dem ersten vernünftigen Pow-Turn des Jahres (zur Erinnerung, es ist Ende Februar!) nichts im Wege. Am Anfang wollten wir es gar nicht so recht glauben, doch dann hieß es auf den ersten Turns wirklich „Mund zumachen“ und ab die Post!
Laax
Trotz aller Euphorie musste man immer noch auf Steine gefasst sein, die sich nur schwer an der weißen Oberfläche abgezeichnet haben. Alles in allem ein genialer Tag, mit viel Pow und einfach Spaß am fahren, daher haben wir uns entschieden auch den folgenden Tag dort zu bleiben, da die Wetteraussichten ähnlich gut waren. Waren sie am nächsten Tag auch, allerdings mussten wegen starken Windböen einige Lifte schließen, so dass wir nicht an unsere „alten“ Spots vom Vortag gekommen sind. Daher war ein bisschen Zeit übrig für Park und Pipe shredden am „Crap Sogn Gion“, und, liebes Tagebuch, ich muss sagen, in Laax ist alles ein wenig größer…
Laax Halfpipe
…so kommt es einem zumindest vor, wenn man auf der Pipe die Walls hinunterschaut. Hier relativieren sich ganz schnell die Dimensionen, wie man sie aus dem TV vielleicht (falsch) einschätzt. Das Setup war, wie man es von Laax erwartet, gut geshaped und für alle Riding Levels etwas dabei, egal ob Kicker, Rails oder Pipe. Diese beiden Tage in Laax waren das bisherige Highlight unserer Tour.
Wenn es so bleiben würde, dachten wir, dann ist die Welt für uns in Ordnung, denn die nächste „Destination“ sollte - ganz ehrfürchtig - das sagenumwobene Chamonix sein! Auf geht´s liebes Tagebuch ins zweite Drittel der Tour...
Gepäck-Management